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Lebensqualität trotz Morbus Pompe

Foto: Billion Photos via Shutterstock

PD Dr. med. Thomas Hundsberger

Leitender Arzt Klinik für Neurologie Kantonsspital St. Gallen

Der Morbus-Pompe-Spezialist PD Dr. med. Thomas Hundsberger erklärt im Interview, welches Krankheitsbild hinter der seltenen Muskelerkrankung steckt und was Betroffene für eine gute Lebensqualität selbst aktiv tun können. 

Viele Menschen haben vermutlich noch nie etwas von Morbus Pompe gehört. Welches Krankheitsbild kennzeichnet diese seltene Erkrankung? 

Morbus Pompe ist eine sehr seltene und vererbbare Muskelerkrankung, die sich durch eine zunehmende Muskelschwäche charakterisiert. Das Leitsymptom, das betroffene Menschen im Laufe ihres Lebens erfahren, sind also Muskelschwäche und seltener auch Muskelschmerzen. Morbus-Pompe-Patienten haben zum Beispiel häufig Probleme, wenn sie Treppen steigen oder aus einem tiefen Sitz aufstehen wollen. Teilweise haben Patienten auch Atemprobleme und können nicht flach im Bett liegen, sondern benötigen ein erhöhtes Kopfteil. 

Hilfsangebote für Betroffene

Pompe ist eine seltene Erkrankung, neben dem zuständigen Ärzteteam können jedoch auch eine Patientenorganisation den Patienten und ihren Angehörigen unterstützend beiseite stehen. Klicken Sie auf den Button, um mehr zu erfahren.

Welche anderen Symptome oder Charakteristika stehen ausserdem noch in Verbindung mit Morbus Pompe? 

Das wichtigste Symptom bei Morbus Pompe im Erwachsenenalter ist sicherlich die Muskelschwäche, also die mangelnde Kraft, den eigenen Körper fortzubewegen. Besonders charakteristisch für Morbus Pompe ist, dass es ein sehr breites Erkrankungsspektrum gibt. Es gibt sehr schwere Verlaufsformen, bei denen Menschen bereits im Mutterleib betroffen sind. Wenn diese Kinder nicht nach der Geburt behandelt werden, versterben sie innerhalb der ersten Monate, weil die seltene Erkrankung den Herzmuskel angreift. Je schwerer der genetische Defekt, desto früher ist ein Patient von Morbus Pompe betroffen. Obwohl Symptome bereits früher vorhanden sind, gibt es auch Patienten, die erst mit 60 Jahren diagnostiziert werden. Diese wissen vielleicht, dass sie nicht gut im Sport sind oder dass sie keine längeren Wanderungen machen können, aber sie haben sich in ihrem Leben damit arrangiert, da dies noch nicht als Symptom von Morbus Pompe wahrgenommen wird. Sind Enzymwerte erhöht, kann im Rahmen einer Routine-Laboruntersuchung Verdacht auf Morbus Pompe geschöpft werden. 

Warum ist eine möglichst frühe Diagnose der seltenen Erkrankung für Patienten so wichtig? 

Für das Verständnis von Morbus Pompe ist es wichtig zu wissen, dass es zwei Verlaufsformen gibt. Die Nichtbehandlung bei der «frühen» Form – das ist jene, die bereits Kleinkinder betrifft – führt bei Morbus Pompe zum Tod. Wenn man nicht direkt mit einer Therapie beginnt, versterben diese Kinder an der Herz-erkrankung. Bei jener Form, die sich erst später äussert, ist die Behandlung ebenso wichtig, um die Lebensqualität aufrechtzuerhalten und damit Patienten weiterhin am Leben teilhaben können. Denn durch das Voranschreiten der Erkrankung wird die Muskulatur nach und nach zerstört – und das ist nicht mehr reparierbar.  

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es derzeit und wie wirken sich diese auf die Lebensqualität von Betroffenen und deren Familien aus? 

Die Enzymersatztherapie ist derzeit die einzige Therapieoption, um Morbus Pompe kausal, an der Wurzel, zu behandeln. Das Ziel der heute möglichen Therapien ist es zum Beispiel, die Gehfähigkeit zu erhalten, damit Betroffene nicht rollstuhlpflichtig, oder nicht beatmungspflichtig werden, da sich Morbus Pompe auch auf die Atemmuskulatur niederschlägt. Wenn Patienten nicht im Rollstuhl sitzen oder nicht beatmet werden müssen, ist das natürlich für die Autonomie im Alltag besser und schränkt das familiäre Zusammenleben oder die Berufstätigkeit von Patienten weniger ein. 

Was können Menschen, die an Morbus Pompe leiden, tun, damit sie eine möglichst gute Lebensqualität haben beziehungsweise diese lange  
erhalten können? 

Neben der Enzymersatztherapie können Patienten noch einiges tun, was sich positiv auf ihre Lebensqualität auswirken kann. Zunächst ist es wichtig, dass Morbus-Pompe-Patienten nicht zu viel an Gewicht zunehmen. Denn je mehr Gewicht ein Patient hat, desto mehr Muskelkraft benötigt man, um sich zu bewegen. Patienten erhalten eine Ernährungsberatung mit der Empfehlung zu eiweissreicher Kost, da Eiweiss ein wichtiger Baustein für die Muskulatur ist. Während der Pandemie haben wir gesehen, dass Überernährung, das vermehrte Sitzen im Homeoffice und wenig Bewegung sich negativ auf Morbus-Pompe-Patienten ausgewirkt haben. Patienten sollten daher regelmässig therapeutische Übungen, Krafttraining oder zum Beispiel Yoga machen, um einerseits die verbliebene Muskulatur gut zu trainieren und um andererseits Schmerzen vorzubeugen. Auch Physiotherapie und ein moderates Ausdauertraining können für den Gesundheitszustand förderlich sein.  

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